Die Geschichte der Brixner Dommusik ist so traditionsreich wie jene des Bistums selbst. Bereits in der Anfangszeit gab es wohl eine rege musikalische Tätigkeit im Zusammenhang mit der Liturgie. Bis in die heutige Zeit setzt sich diese Tradition in lebendiger Weise fort.
Römische Siedler christianisieren Tirol und machen den lateinischen Ritus der Liturgie in unserem Land heimisch. Für diese Zeit gibt es kaum Überlieferung.
Der nach Papst Gregor (508-504) benannte gregorianische Choral wird in eigens eingerichteten Dom- und Klosterschulen gelehrt. Das älteste Beispiel einer solchen Singschule war die von Herzog Tassilo III. 769 gegründete Stiftsschule von Innichen. Die Vorstufe zur Brixner Domschule befand sich zu dieser Zeit noch in Säben.
Aufgrund einer Schenkung der „curtis Prihsna“ von König Ludwig IV. (dem Kind) an die Kirche von Säben wird unter Bischof Albuin (975?–1006) der Bischofssitz von Säben nach Brixen verlegt. Der Hof des Bischofs bildet rasch ein Zentrum für geistliche und weltliche Musikpflege. In der Domsingschule werden Sänger für die Gestaltung der täglichen Gottesdienste ausgebildet. Die Melodien stammen vermutlich aus dem Kloster Sankt Gallen. Dabei gibt es drei Arten von Schülern: die Choralisten, Präbendisten und die Externen. Letztere sind Söhne bischöflicher Adliger und Bürger und kommen für ihre Verpflegung selbst auf. Dafür brauchen sie nur an den hohen Festtagen am Gottesdienst teilzunehmen, während ihre Kollegen täglich Gottesdienste und verschiedene Ämter bestreiten.
Es entstehen mittelalterliche Handschriften über die ältere Brixner Liturgie. Über die Reformen unter Nikolaus Cusanus (1450–64 Bischof von B.) berichten drei Augsburger Drucke. Bis ins 15. Jh. sind der Choral bzw. die Orgelmusik Basis der Kirchenmusik. Vokalpolyphonie bzw. Instrumentalmusik setzen sich nur langsam und gegen den Widerstand des Domkapitels durch; Kardinal Andreas v. Österreich (reg. 1591–1600) und Bischof Christoph IV. Andreas v. Spaur (reg. 1601–1613) streben eine Erneuerung der Kirchenmusik an.
Im Konzil von Trient werden neue ästhetische und stilistische Anforderungen beschlossen, bei denen es vor allem um das Wort-Ton-Verhältnis und die unbedingte Verständlichkeit des Wortes geht. Pierluigi da Palestrina wird zum stilprägenden Vorbild, da in seinen polyphonen Werken Text und Musik nach der Meinung des Konzils in einem idealen Verhältnis stehen.
Den Bestrebungen nach noch mehr Textverständlichkeit kommt die neue monodische Satzweise mit Generalbass entgegen. Brixen wird Zentrum einer intensiven Kompositionstätigkeit. Beispielgebend dafür ist Christoph Sätzl (1592-1655), der von 1620 bis 1632 Domkapellmeister war und zahlreiche Motetten und geistliche Gesänge schrieb. Der ehemalige Domorganist und Komponist zahlreicher geistlicher Werke, Daniel Zen, wird 1627 zum Bischof geweiht. Seine Kompositionen werden ebenso wie jene des ehemaligen Chorknaben der Domschule und späteren Fürstbischofs Johann von Platzgummer (1641-1647) im Brixner Domarchiv verwahrt.
Brixen ist als musikalisches Zentrum von europäischem Rang Anziehungspunkt für bedeutende Musiker. Der aus Böhmen stammende Leopold Strach von Treyenfeld lebt seit 1727 in Brixen, zunächst als Bassist und Hofkomponist, später als Domkapellmeister. Sein gutes Verhältnis zu Fürstbischof Kaspar Ignaz von Künigl (1702-1747) lässt sich durch Kompositionswidmungen belegen.
Auch die Familie Besthorn aus dem Bistum Halberstadt stellt eine Reihe renommierter Musiker und Komponisten für den auf Künigl folgenden Bischof Leopold von Spaur. Auch gebürtige Brixner wie Domkapellmeister Franz Hopfgartner (1714-1775) und Johann Baptist Kerer (1743-1821) komponieren geistliche Werke und bringen sie zur Aufführung im Dom.
Die Französische Revolution und die darauf folgende Säkularisation 1803 setzen der kulturellen Glanzzeit ein jähes Ende. Die Produktion geistlicher Werke geht stark zurück. Die musikalische Praxis verliert auch ihre vormalige hohe Qualität.
Der Brixner Domorganist Josef Gregor Zangl gründet nach dem Vorbild des Vereins Cäcilia, der 1863 in Gries/Bozen entstand, in Brixen den Diözesan-Cäcilien-Verein, um der geistlichen Musik, die an Qualität stark eingebüßt hat, ihre „Würde und Feierlichkeit“ wiederzugeben. Dies sollte vor allem durch ein Festhalten an der lateinischen Sprache und die Bevorzugung des A-cappella-Gesangs erreicht werden. Außerdem sollte die Kirchenmusik wieder enger an die Liturgie angelehnt werden.
Zangls Schüler Ignaz Mitterer (1850-1924) wird Domkapellmeister in Brixen und führt den Domchor zu beachtlicher Qualität und weit ausstrahlender Bekanntheit. Er wird der Hauptvertreter des Cäcilianismus im deutschen Sprachraum und macht Brixen zum Zentrum der Reform. Sein Gesamtwerk umfasst mehr als 200 Werke, darunter 45 Messen, aber auch weltliche Musik.
Anlässlich der 12. Generalversammlung des Cäcilienvereins halten sich vom 10. bis 12. September 500 Gäste in Brixen auf, um Anregungen und Unterweisungen zur Hebung des Niveaus der Kirchenmusik zu erhalten. Der Aufführung im Dom unter der Leitung von Ignaz Mitterer wohnen 1000 Personen bei. Der Verlag des Cäcilien-Vereins der Diözese Brixen sorgt überregional für die Verbreitung des einschlägigen Notenmaterials.
Die Teilung Tirols nach dem Ersten Weltkrieg und der Faschismus beenden die Tätigkeit des Cäcilienvereines. Die einzelnen Kirchen und Pfarreien bemühen sich jedoch weiterhin um eine würdige Gottesdienstgestaltung.
Angelo Alverà (1905-1978) übernimmt die Leitung des Domchors und führt ihn bis 1974. Als die Stadtkapelle 1938 aufgelöst wird, baut er Blasinstrumente in das Domorchester ein. Unter Domkapellmeister Angelo Alverà und Domorganist Alfons Frontull werden anspruchsvolle Programme einstudiert und das Niveau der Kirchenmusik hoch gehalten.
Josef Knapp (1921-2014) leitet den Domchor. Er wird bereits 1956 von Bischof Joseph Gargitter zum Diözesanpräses des Allgemeinen Cäcilienverbandes für die Diözese Brixen ernannt. Trotz seines klaren Bekenntnisses zur Tradition des Cäcilienverbandes ist Knapp allem Neuen gegenüber aufgeschlossen. So leitet er Aufführungen von Werken Johann Sebastian Bachs bis Hugo Distler, von Palestrina bis Gounod. Höhepunkt seiner langjährigen Tätigkeit ist die Einspielung des Tonträgers „Ostern im Brixner Dom“ im Jahre 1990.
Josef Lanz gründet zusammen mit Domkapellmeister Josef Knapp, Heinrich Psaier, Kathi Trojer, Otto Rubatscher und Konrad Eichbichler die Brixner Initiative Musik und Kirche, die sich intensiv der Pflege geistlicher Musik widmet und aktuelle Themen im Zusammenhang mit Religion und Musik aufwirft. Der Brixner Dom ist seither ein über die Grenzen Südtirols hinaus beachtetes Zentrum geistlicher Musik und lädt ganzjährig zu Konzerten ein.
Der gebürtige Toblacher Heinrich Walder übernimmt als erster Nicht-Priester das Amt des Domkapellmeisters und verantwortet viele musikalische Höhepunkte des Domchores, etwa die Liturgien anlässlich des Besuches von Papst Benedikt XVI. 2008 oder die Bischofsweihe der Bischöfe Karl Golser 2008 und Ivo Muser 2011. Für Walder ist die sorgfältige Pflege und Qualitätssteigerung der Musica Sacra in Südtirol ein großes Anliegen. Er wirkte als Professor für Kirchenmusik am Konservatorium „Cl. Monteverdi“ in Bozen und ist seit 2022 Vorsitzender der Diözesanen Kommission für Kirchenmusik und Orgelbau. Während seiner Tätigkeit als Domkapellmeister bestritt er über 50 Gottesdienstgestaltungen während eines Kirchenjahres, zu hohen Feiertagen gelangten große Orchestermessen der klassischen und romantischen Epoche zur Aufführung. Einige Konzerte wurden unter seinem Dirigat einstudiert und mit Erfolg aufgeführt. Bei seinem Abschied wünscht sich Walder den Domchor weiterhin als eine engagierte Gemeinschaft im Dienste der Sakralmusik und dass das Singen im Domchor auch junge Menschen begeistert.
Der aus dem Gadertal stammende Franz Comploi löst seinen Ladiner Landsmann Otto Rubatscher als Domorganist ab. Er ist als Komponist von Chormusik, Liedern und dem Oratorium Maria tla Revelaziun, als Chorleiter in Salzburg und Brixen und als Juror bei internationalen Wettbewerben tätig. Von 1988 bis 2005 ist er Lehrbeauftragter für Orgel und Orgelimprovisation am Salzburger Mozarteum, Professor an der Bildungswissenschaftlichen Fakultät und Dekan der Fakultät für Bildungswissenschaften. 2008 ruft er den Daniel-Herz-Orgelwettbewerb in Brixen ins Leben und ist dessen künstlerischer Leiter.
Im Zweijahresrhythmus wird am Vortag von Maria Himmelfahrt das Festival KlangDom – die lange Nacht der Kathedrale veranstaltet.
Nach 31 Jahren übergibt Domkapellmeister Heinrich Walder den Taktstock an seinen Nachfolger, den aus dem Gadertal stammenden 35-jährigen Kirchenmusiker Andrea Tasser.